Eritrea ist nur 80 Jahre weit weg – Besuch im Freilichtmuseum

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Wir wussten nicht, ob wir fünf oder fünfundzwanzig TeilnehmerInnen für unseren jüngsten Ausflug der Flüchtlingsinitiative erwarten. Eingeladen waren alle Geflüchteten, aber auch alteingesessenen Weilerswister, gemeinsam das Freilichtmuseum in Kommern zu besuchen. Aufregend war schon der Transport: wie viele Fahrkarten für den Zug, wie viele Autos für den selbstorganisierten Shuttleverkehr? Haben wir Kindersitze und Platz für die Kinderwagen? Weil viele mit anpackten waren dann doch irgendwann alle angekommen und wir wurden im Museum in zwei Gruppen aufgeteilt: die einen gingen zum Brotbacken, die anderen bekamen eine fachkundige Führung durch einzelne Baugruppen.

Eine bunte Truppe mit Weilerswistern aus Nigeria, Eritrea, Irak, Türkei, Bangladesh, Deutschland und Guinea verarbeitete jeweils ihre vorbereiteten Mengen Mehl, Wasser, Salz und Hefe zu einem zünftigen Brotteig. Besonders hatten die Männer und Jungen Spaß am Kneten und waren sehr zufrieden, dass am Ende jeder mit seinem Brot nach Hause gehen konnte. Mehrere kannten Steinbacköfen aus ihrer Heimat und waren sofort mit den uralten Geräten und dem Arbeitsablauf vertraut, da sie auch heute noch mancherorts so ähnlich im Alltag existieren. Da aber in vielen Ländern eher Brotfladen als Brotlaibe gebacken werden, mussten einige bei den fertigen Broten erstmal auf den Geschmack kommen um die von uns so geliebte weiche Krume zu essen. Die Wartezeit beim Teiggehen und Backen überbrückten wir entspannt durch eine Begutachtung des benachbarten Nutzviehs.

Währenddessen erlebte die andere Hälfte der Besuchergruppe, die wieder ein paar andere Ursprungsländer wie beispielsweise den Kosovo und Syrien vereinte, eine Zeitreise zu den Lebensbedingungen des Rheinlands in den vergangenen Jahrhunderten. Vergleiche über Kontinente und Jahrhunderte hinweg wurden erstellt. Das enge Zusammenleben von Mensch und Tier, die Bedeutung der Feuerstelle, die Bauweise aus Holz und Lehm – das schaffte Nähe, aber auch Entsetzen: so primitiv haben die Deutschen gelebt? Und es waren auch Fachleute unterwegs, die mit prüfendem Blick und anerkennendem Abtasten der Balken eines Fachwerkhauses ungläubig fragten „How old is it?“

Ein weiterer Hingucker: In der Ausstellung „Wir Rheinländer“ wurden kleine Gässchen an den fast lebensechten Wachsfiguren vorbei durchlaufen und Alltagsszenen der letzten zwei Jahrhunderte gezeigt. Auch für die „Bio-Rheinländer“ war das ein schöner Abstecher, der noch einen weiteren, ganz anderen Aspekt des Lebens im Rheinland erlebbar macht.

Nach ein paar Stunden trafen sich alle zum gemeinsamen Essen von Erbsensuppe und gestampften Möhren mit Kartoffeln. Die Scheune vom Restaurant „Alte Post“ war ein wunderbarer Treffpunkt. Ein Musikautomat der Pneuphoniker, mit den sich belustigend bis beängstigend bewegenden Musikerfiguren, war eine Attraktion nicht nur für Kinder. Zu guter Letzt hatte auch die Musik verbindende Kraft – von „Kalinka“ bis hin zu Tanzeinlagen auf „See you later Alligator“. Auch die mit gleichem Aufwand zu bewältigende Heimreise nach Weilerswist klappte in bester Laune. Die erstaunte Erkenntnis, dass die Menschen überall und zu allen Zeiten doch sehr ähnliche Sorgen und Mühen haben, ist eine Lektion, die bei mir und so manchem der fast 50köpfigen Ausflugstruppe noch lange nachwirken wird.