Weilerswister im Portrait: Yalda

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Porträtfoto von Yalda

Heute: Yalda, 29 Jahre, Hebamme

Hobbies: Sport, im Internet surfen/YouTube, Deutsch lernen

Yalda, Du hast die afghanische Staatsangehörigkeit, stammst aber aus dem Iran. Wie kommt das?

Meine Eltern sind in Afghanistan geboren. Aber sie sind bereits im Alter von zwölf Jahren aufgrund des Krieges mit der Sowjetunion in den Iran geflüchtet. Ich selbst bin im Iran geboren und aufgewachsen und fühle mich auch als Iranerin. In Afghanistan war ich nur einmal, als ich zur Ausreise aus dem Iran aufgefordert wurde, spüre aber keine Verbindung zum Land. Ich verstehe zwar Dari (die afghanische Hauptsprache), kann es aber nicht sprechen.

Wie war Deine Situation im Iran und warum hast Du den Iran verlassen?

Man sagt im Iran nicht, dass man Afghanin ist, denn afghanische Flüchtlinge werden stark diskriminiert. Die Annahme der iranischen Staatsbürgerschaft ist nicht möglich, selbst wenn man dort geboren ist. Man kann weder ein Haus oder ein Auto kaufen, noch einen Führerschein machen. Auch darf man seinen Aufenthaltsort nicht einfach verlassen. Will man in eine andere Stadt reisen, beispielsweise um jemanden zu besuchen, so kann man dies nur gegen Gebühren und für maximal drei Tage tun.

Die Berufswahl ist sehr stark eingeschränkt, so dass afghanische Staatsangehörige in der Regel nur einfache Tätigkeiten ausüben können. Studieren kann man nur an privaten Universitäten gegen hohe Gebühren, staatliche Universitäten dürfen afghanische Staatsangehörige nicht besuchen.

Während meines Hebammenstudiums habe ich als Kleinkinderschwester auf einer Dialysestation gearbeitet. Als dort nach eineinhalb Jahren bekannt wurde, dass ich Afghanin bin, habe ich meinen Job verloren und wurde gebeten niemandem zu erzählen, dass man mich dort beschäftigt hatte.

Es gibt ein Gesetz, dass man als Flüchtling nach Beendigung eines Studiums das Land verlassen und zurück in sein Herkunftsland gehen muss, aber die Regelungen ändern sich ständig und nichts ist vorhersehbar. Nach Beendigung meines Hebammenstudiums wurde ich dann verpflichtet den Iran zu verlassen. Ich musste zunächst für zwei Monate nach Afghanistan ausreisen, bevor ich wieder einreisen durfte. Dann war klar, dass das Visum letztmalig für sechs Monate befristet erteilt und nicht mehr verlängert werden würde. Da das Visum immer für die gesamte Familie gilt, mussten meine Eltern und mein Bruder dann ebenfalls endgültig ausreisen.

Magst Du etwas über Eure Flucht erzählen?

Unsere Flucht dauerte einen Monat und wir waren mit dem Bus, zu Fuß und mit dem Boot unterwegs. Das Schlimmste war aber für mich nicht das Boot, sondern der Weg über die iranische Grenze in die Türkei. Wir haben uns drei Tage in den Bergen versteckt und hatten Angst um unser Leben, denn die iranische Polizei darf Illegale einfach erschießen.

Was ist aus Deiner Sicht hier ganz anders, besser oder schlechter als im Iran?

Für mich ist Deutschland sehr gut. Alle Tore sind geöffnet. Es gibt offiziell keine Diskriminierung wegen der Nationalität wie im Iran; Haus, Auto, Führerschein, Reisen – alles ist möglich.

Was schwierig ist, ist dass es in Deutschland viele, viele Regeln gibt. Das ist nicht immer leicht zu verstehen. Leider wird auch mein vierjähriges Hebammenstudium hier nicht zu 100 Prozent anerkannt, so dass ich hier noch sechs Monate nachholen muss. Da das aber in der Form nicht möglich war, mache ich jetzt nochmal einen kompletten 18-monatigen Lehrgang mit dem Abschluss als qualifizierte Hebamme.

Auch fällt es mir manchmal schwer, dass ich die Freunde, Verwandten und Bekannten aus dem Iran nicht mehr sehen kann. Sie sind unendlich weit weg. Die Leute hier haben viel weniger Kontakt mit der Familie und Bekannten, als im Iran. Weil auch die Frauen berufstätig sind und alle viel arbeiten, haben auch alle viel weniger Zeit.

Auch wenn ich sehr intensiv die deutsche Sprache gelernt habe, ist mir unangenehm, dass ich noch nicht fehlerfrei deutsch sprechen kann und nicht immer alles verstehe.

Was mir aber sehr wichtig ist, ist dass ich hier einen Wert als Frau habe.

Kannst Du das mit dem „Wert als Frau“ näher erläutern?

Frauen haben in Deutschland auch Rechte gegenüber der Polizei und dem Staat. Im Iran reichen Kleinigkeiten, wie Verstöße gegen die Kleiderordnung, um selbst ins Gefängnis zu kommen. In Deutschland können sie zum Beispiel bei Gewalttaten Anzeige gegen Männer erstatten.

In Deutschland dürfen Mädchen und Frauen einen Freund haben. Geraten sie im Iran in Begleitung eines Mannes in eine Polizeikontrolle, so müssen sie nachweisen, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen, ob der Begleiter also ihr Ehemann oder ein Familienmitglied ist. Wenn das nicht so ist, drohen Gefängnisstrafen und die Konsequenzen sind für Frauen weit schlimmer als für Männer. Auch innerhalb von Beziehungen herrscht in Deutschland mehr Gleichberechtigung.

Was ist Dein größter Wunsch?

Ich will ein normales und gutes Leben haben, wie andere auch – und mich als Mensch fühlen. Ich will sehr gerne als Hebamme arbeiten und wünsche mir, dass meine Familie ebenfalls den Aufenthaltsstatus „anerkannt“ erhält.

Hast Du mal versucht Personen einer anderen Kultur näher zu kommen?

Ich habe mich mit einer afrikanischen Nonne angefreundet. Ich habe sie bei meiner Arbeit im Marienhospital in Euskirchen kennengelernt. Sie arbeitet dort als Krankenschwester.

Ich habe außerdem arabische und deutsche Freundinnen.

Fühlst Du Dich in Deutschland fremd?

Nein, nicht mehr. Ich bin angekommen, aber man muss sich viel bemühen.

Ich habe so viel Hilfe von anderen bekommen. Dabei habe ich gelernt, dass ich auch anderen helfen kann. Deshalb bin ich zum Beispiel in einem Übersetzerpool gemeldet.

Warum – glaubst Du – lehnen viele Menschen Flüchtlinge ab und was müsste passieren, damit es besser wird?

Weil sie sich zurückziehen und nichts machen. Das Allerwichtigste ist der Kontakt.