Stellungnahme zur Neuauflage des Integrationskonzepts der Gemeinde Weilerswist

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Die Flüchtlingsinitiative äußert ihr Bedauern, bei der Fortschreibung des Integrationskonzepts der Gemeinde Weilerswist nicht einbezogen worden zu sein. Nicht nur hinsichtlich dieses Vorgehens, sondern auch inhaltlich haben wir substantielle Verbesserungsvorschläge. Mit folgender Stellungnahme mischen wir uns in die Diskussion ein. – Das noch nicht verabschiedete Konzept der Verwaltung finden Sie für den Download auf der nächsten Seite.

Hier und unter dem Link:
https://sdnetrim.kdvz-frechen.de/rim4510/vorgang/?=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZft7a_qnfy9axmI5RAzehLE
finden Sie das Integrationskonzept der Gemeinde Weilerswist zum Download.

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Stellungnahme zum Integrationskonzept
der Gemeinde Weilerswist

Mit Aufmerksamkeit nimmt die Flüchtlingsinitiative Weilerswist e.V. die Neuauflage des Integra-tionskonzeptes durch die Verwaltung zur Kenntnis. Sie war an der Erstellung des Konzepts nicht
beteiligt und vermisst grundlegende Daten und Informationen, um die Einschätzung von Erfolgen der Integrationsbemühungen zu ermöglichen. Ein Konzept sollte bei der praktischen Arbeit helfen. Es sollte diskutiert und geprüft werden, um belastbar und praktikabel zu sein. Es sollte basierend auf relevanten Fakten und Erfahrungen Handlungsoptionen aufzeigen, die zu konkreten und übergeordneten Zielen beitragen. Die besonderen Herausforderungen durch die Coronakrise sollten dargestellt werden, wie auch die, die durch die mittlerweile mehrjährige Unterbringung im Wohnheim entstehen. Wir sprechen uns dafür aus, dass die Integrationsbeauftragten dazu beauftragt werden, stärker praktische soziale Arbeit und Vernetzung zu betreiben und sich mit dem Ehrenamt bezüglich der praktischen Arbeit mit Geflüchteten abzustimmen.

1. „Gemeinsam, das heißt mit Politik, Verwaltung, wichtigen Akteuren und Migranten legen wir die Ziele der kommunalen Integrationspolitik fest und entwickeln ein Konzept zur Integration.“ (Integrationskonzept S.8)

Keine*r der uns bekannten Akteur*innen auf Gemeindegebiet außerhalb der Verwaltung war an der Erstellung des Integrationskonzepts beteiligt. Wesentliche Anstrengungen für die Integration von Geflüchteten leisten, teils seit Jahrzehnten, die evangelische Kirchengemeinde und die Diakonie, die katholische Kirchengemeinde, die Schulen, sowie punktuell etliche örtliche Vereine. Hinzu kommen das unorganisierte und das organisierte Ehrenamt beispielsweise im Rahmen der Flüchtlingsinitiative Weilerswist oder über das Sprachpatenprogramm SmiLe vom KoBIZ Euskirchen.

Das Konzept erwähnt, dass von der Gemeinde zwar vorgesehen sei, von Seiten der Geflüchteten aber bislang kein Wunsch bestand, mit eigener Stimme im Dialog mit Politik und Verwaltung vertreten zu sein. Für Geflüchtete ist die Verwaltung bislang eine Akteurin, von der sie sich abhängig fühlen. Wir wünschen uns an dieser Stelle das Aufzeigen konkreter Schritte, die einen Dialog auf Augenhöhe vorbereiten und ermöglichen.

2. „Wir messen die Erfolge unserer Integrationsarbeit“ (Integrationskonzept S.8)

„Integration“ ist ein jahre- wenn nicht jahrzehntelanger Prozess, der nicht nur zu Beginn gesellschaftlicher und politischer Aufmerksamkeit und Begleitung bedarf. Die aufgelisteten Zahlen und Statistiken haben wenig aktuellen Bezug – uns fehlen beispielsweise Informationen zur Altersstruktur, Aufenthaltsdauer und -status. Auch müssen Personen in die Betrachtungen des Konzepts einbezogen werden, die sich nicht mehr in unmittelbarer Abhängigkeit von der Kommune befinden, weil sie Leistungen von anderen Erbringern beziehen, eigenes Einkommen erwirtschaften oder aus den Wohnheimen ausziehen.

Außerdem stellt sich die Frage: Was sind und woran messen wir Erfolge? Um sich ein Bild vom Stand der Integrationsarbeit in Weilerswist zu machen und Handlungsbedarfe abzuleiten, fehlen sozioökonomische Daten, beispielsweise zu Familienstand, Sprachkompetenz, beruflicher Bildung und Berufstätigkeit, Wohn- und Unterbringungssituation, Werteaneignung und –reflexion.

Auch ein professioneller Blick auf die Situation und Bedarfe besonders vulnerabler Gruppen fehlt: Auf Kinder und Heranwachsende, Traumatisierte, psychisch Belastete und Kranke, alleinstehende und in Partnerschaften lebende Frauen, Alleinerziehende sowie Familien.

Handlungsbedarfe aus einer Situationsanalyse abzuleiten sollte unserer Ansicht nach das Kernelement des Integrationskonzepts sein. Die Flüchtlingsinitiative kann sowohl zur Sammlung von Daten und Informationen, als auch bei der Entwicklung von Maßnahmen Beiträge leisten.

3. Integration und Pandemie

Erstaunlich ist, dass die seit über einem Jahr entstandenen besonderen Herausforderungen durch Corona und die Folgen des Lockdowns im Konzept nicht erwähnt werden. Beispielsweise leiden die beengt wohnenden Personen in Mehrbettzimmern oder mehrköpfige Familien in Einraum-Appartements besonders unter den Lockdown-Beschränkungen. Unter räumlicher Enge steigt die
Gefahr von Konflikten und Gewalt gegen Schwächere. Homeschooling und Distanzunterricht benötigen nicht nur kompetente Erwachsene und technische Ausstattung – beides  ist nicht ausreichend gegeben – sondern auch leistungsfähiges und stabiles WLAN, das seit Jahren gefordert, aber nicht umgesetzt wird. Darüber hinaus machen Erwachsene wie Kinder Rückschritte beim Spracherwerb, Lernbiographien werden unterbrochen und Arbeitsplatzverlust droht bei prekär Beschäftigten schneller.

Nicht nur da seit März 2020 der Zugang zu den Wohnheimen für Ehrenamtliche stark eingeschränkt wurde, trägt die Gemeinde eine besondere Verantwortung bei der Krisenbewältigung und das aktuelle Integrationskonzept sollte Perspektiven aufzeigen.

4. Situation in den gemeindeeigenen Unterbringungen

Da die Unterbringung eine der wesentlichen Verantwortlichkeiten der Gemeinde ist, bedarf sie einer besonderen Betrachtung. Die Wohneinheiten in der Martin-Luther-Straße und Kölner Straße beherbergen sowohl Familien, als auch eine unterschiedliche Zahl von Einzelpersonen in Vier- bis Sechsbettzimmern – trotz Schichtarbeit, fehlender Ruhe für Hausaufgaben, häufiger Konflikte und schwieriger Entwicklungsbedingungen für Kinder und Jugendliche. Diese Belastungen hinterlassen Spuren. Viele Familien konnten zwar in private oder gemeindeeigne Wohnungen außerhalb der Martin-Luther-Straße umziehen, dort geraten sie jedoch vollkommen aus dem Blick der Integrationsbeauftragten.

Verbesserungspotential sehen wir insbesondere bei der Unterbringung von Familien: Eine Zusammenlegung von je zwei Einraum-Appartements  für Familien, die keine eigene Wohnung finden, war bei der Planung des Wohnheims angekündigt worden, findet aber bislang nicht statt. Da einige Familien auf dem freien Markt seit Langem keine Wohnung finden, wäre dies dringend geboten.

Angebote der Entlastung und Vernetzung werden überwiegend ehrenamtlich bzw. durch Akteure auf Kreisebene organisiert (Hausaufgabenhilfe, Frauentreffs, Begegnungscafés, Ausflüge). Angekündigte Synergiepotentiale durch die Kombination Schule/Wohnheim sind bislang für uns nicht sichtbar geworden und sollten dargestellt werden.

Die Aufenthaltsräume im Keller sind mit teilweise ungeeignetem Material ausgestattet. Möbel und Spielartikel sollten Kindergartenqualität haben. Die im Lernraum (K05) befindlichen Computer – auch für inzwischen außerhalb des Kombibaus lebende Geflüchtete – wurden von der Flüchtlingsinitiative beschafft und im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit fehlendem Mobiliar ergänzt. Die technische Wartung erfolgt kontinuierlich durch die Flüchtlingsinitiative. Trotz der Bedeutung dieses Lernbereichs gerade in der Pandemiesituation (Distanzunterricht) leiden die Bewohner*innen des Kombibaus auch nach drei Jahren unter einer leistungsmäßig schwachen und darüber hinaus störanfälligen Anbindung an das Internet – in der Spitze bis zu 5 MB/s.

Wünschenswert wäre, dass das Konzept erläutert, welche unterschiedlichen Wohnformen welche Bedarfe zur Folge haben und wo die Gemeinde Handlungsbedarf sieht. Bezüglich der DV-Infrastruktur sollte eine Perspektive zur bedarfsgerechter Ausstattung und Pflege geschaffen werden.

5. „Die Integrationsbeauftragten dienen als wichtige Schnittstelle zwischen Verwaltung, Ehrenamt und den Migranten“ (Integrationskonzept S.9) und setzen dafür „die eigene professionelle Fachlichkeit“ ein. (S.11)

Wir erleben die Integrationsbeauftragten als stark der Verwaltungslogik unterworfene Akteur*innen. Impulse zur Vernetzung und Aktivierung werden im Wesentlichen durch die Flüchtlingsinitiative und Angebote der evangelischen Gemeinde gegeben. Eine besondere sozialarbeiterische Aufgabenstellung der Integrationsbeauftragten war von der Flüchtlingsinitiative bei deren Einstellung erhofft worden – als Ergänzung zum fachlich weitgehend unspezifischen, ehrenamtlichen Engagement. Wir regen wiederholt an, aufsuchende Sozialarbeit zum Arbeitsschwerpunkt der Integrationsbeauftragten zu machen.

Die Flüchtlingsinitiative wünscht sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Integrationsbeauftragten und klare Absprachen der im besten Fall sich ergänzenden Tätigkeiten. Die Verwaltung sollte deshalb die kontinuierliche und systematische Abstimmung der ehrenamtlichen Aktiven und der Integrationsbeauftragten auf der Arbeitsebene ermöglichen.

6. Schlussbewertung

Mit der Fortschreibung des Integrationskonzeptes eröffnet die Verwaltung eine nicht zu unterschätzende Chance: Ein Prozess mit dem Ziel, die Integration von Geflüchteten in unserer Gemeinde nicht nur als administrative, sondern als gesellschaftliche Aufgabe wahrzunehmen und auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme, an der alle relevanten Akteur*innen beteiligt sind, Handlungsfelder und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Hierzu wäre eine Umdeutung der Rolle der Verwaltung notwendig: Die einer Koordination und Moderation, die, neben der Politik, auch die zuweilen sperrigen Ressourcen „Zivilgesellschaft“, „Geflüchtete“ und „Ehrenamt“ als Partner*innen auf Augenhöhe wahrnimmt und deren Beiträge ebenso ernst nimmt wie administrative Herausforderungen.

Weilerswist, April 2021
Flüchtlingsinitiative Weilerswist e.V.